Über FGM
Unter weiblicher Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation /FGM oder Female Cutting FGM/C) versteht man Beschneidung bzw. Verstümmelung der weiblichen Genitalien aus nicht-medizinischen Gründen.
Wo kommt FGM vor?
FGM ist in Afrika am weitesten verbreitet, aber auch in Südamerika (Kolumbien, Peru) und in Asien (z. Bsp. in Irak, Iran, Jemen, Thailand, Indonesien, etc.) kommt es vor.
FGM ist durch Migration und Zuwanderung auch in Europa angekommen: dabei werden Mädchen in den Ferien in ihre Heimatländer gebracht, und dieser menschenrechtswidrigen Praxis unterzogen. Allein in Österreich sind 18-20% von Mädchen, deren Eltern aus einem Land kommen, in dem FGM praktiziert wird, gefährdet!
Formen von FGM
Die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, unterscheidet 4 Typen von FGM:
Typ 1: Klitoridektomie
Klitoridektomie bezeichnet die teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und/oder der Klitorisvorhaut. Diese Form wird oft als „milde“ Variante bezeichnet, was aber falsch ist, denn die Klitoris ist ein Organ, dessen Entfernung nicht nur mit immensen Schmerzen verbunden ist, sondern auch die richtige Funktion des Körpers nicht mehr gewähren kann.
Typ 2: Exzision
Bei der Exzision werden der sichtbare Teil der Klitoris sowie die inneren Schamlippen teilweise oder vollständig entfernt werden. Mitunter werden auch die äußeren Schamlippen verstümmelt.
Typ 3: Infibulation
Die Infibulation ist die schlimmste Form der Verstümmelung. Dabei werden Klitoris und Schamlippen entfernt und danach bis auf ein kleines Loch zugenäht. Durch dieses Loch müssen Urin und Menstruationsblut abfließen. Für den Geschlechtsverkehr oder eine Geburt muss die Naht (immer) wieder geöffnet werden, um dann wieder verschlossen zu werden.
Typ 4: diverse Mischformen oder andere Praktiken
Unter Typ 4 werden alle weiteren, medizinisch nicht begründeten Eingriffe, welche die Vulva und Klitoris der Frau nachhaltig schädigen, zusammengefasst. Dazu zählen auch Ätzen, Brennen, Scheuern oder das Auftragen von nervenschädigenden oder betäubenden Substanzen.
Warum wird FGM gemacht?
FGM ist ein Initiations- und Übergangsritus, der „Mädchen zu Frauen“ macht. Die spezifischen Gründe sind je nach Region und Land unterschiedlich, kommen in christlichen, muslimischen und sogenannten „Naturreligionen“ vor und reichen von sozialem Prestige bis hin zur Idee, dass die Frauen damit gut, sauber, rein und ehrbar sind. Viele Mythen „argumentieren“ die Praktik. Keine Buchreligion verlangt sie.
In fast allen Regionen und Ländern, die FGM praktizieren, gilt es als Voraussetzung der Heirat und wird mit Religion, Kultur und Tradition gerechtfertigt.
Ist FGM nicht verboten?
In fast allen Ländern ist FGM verboten, wird aber nur teilweise bis gar nicht sanktioniert. Täter*innen und Mittäter*innen (Eltern, weitere Familie, Beschneiderinnen,…) werden in seltensten Fällen zur Verantwortung gezogen.
Hier findest du eine Übersicht der Rechtslage in 27 Ländern inklusive der EU, erstellt anlässlich des 9. Worldwide Day of Genital Autonomy 2021
FGM darf nicht isoliert betrachtet werden
Maßnahmen zur Beendigung von FGM brauchen eine holistische Herangehensweise, bei der Frauen und Männer gleichermaßen einbezogen sind.
FGM muss im Zusammenhang mit Familienplanung und HIV/AIDS gesehen werden.
Durch den Akt „werden“ die Mädchen zu erwachsenen Frauen, werden kurz darauf verheiratet – selbst wenn sie noch minderjährig sind – und brechen dadurch die Schule meist ab.
So steigt die Gefahr von Teenager-Schwangerschaften, und die Mädchen haben keine Chance mehr, über ihr Leben selbst zu bestimmen. Sie schlittern von einer ungeplanten Schwangerschaft in die nächste und enden in Abhängigkeit von ihren Ehemännern oder Familien.
Die vielfach noch immer mit unsterilen Geräten durchgeführte Verstümmelung erhöht zudem noch das Risiko, an HIV/AIDS zu erkranken.
Was muss gegen FGM getan werden?
Die nationalen Regierungen müssen verstärkt die Einhaltung der vorhandenen FGM-Verbots-Gesetze überwachen bzw. in jenen Ländern beschließen, wo das noch nicht der Fall ist (in Afrika sind das sieben Länder). Verstöße gegen die Gesetze müssen sanktioniert werden.
Eine inhaltliche Verankerung in den nationalen Bildungsplänen sorgt für Wissen, Sensibilisierung, Verständnis, Engagement.
Die Zivilgesellschaft, vor allem in ländlichen Regionen und mit geringen Bildungsmöglichkeiten, benötigt weit verbreitete Aufklärung, da vielfach den Menschen nicht bewusst ist, was FGM bedeutet.
Als Alternativen zu FGM müssen andere soziokulturell angepasst Übergangsriten gemeinsam mit den praktizierenden Ethnien entwickelt und verbreitet werden.
Den ehemaligen Beschneider*innen müssen durch Arbeitsprogramme andere Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden.
Zudem zeit es sich in der Praxis, dass es wichtig ist, dass den Beschneider*innen keine Strafe droht, sondern sie aus Überzeugung öffentlich ihre Beschneidungswerkzeuge niederlegen müssen und dafür von der Gesellschaft eine Anerkennung erhalten.
Die internationale Staatengemeinschaft muss intensiver auf die Einhaltung der Menschenrechte bei jenen Mitgliedsländern pochen, die diese durch FGM laufend verletzen.
Die Regierungen der EZA-Geber-Länder müssen Bedingungen an die EZA-Gelder knüpfen, ebenso wie private Investor*Innen, v.a. hinsichtlich Einhaltung der Menschenrechte, garantierter Gesundheitsversorgung und Bildungschancen für alle.
FGM-Aufklärung muss in allen Ländern erfolgen, auch im Globalen Norden bzw. dort, wo FGM über Migration und Zuwanderung (verborgene) Realität ist.
Weiterführende Informationen:
Terre de Femmes bietet eine der umfangreichsten und aktuellsten Sammlung an Informationen über FGM weltweit:
https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung
Das European Institute for Gender Equality (EIGE) hat eine Studien Österreich erstellen lassen:
https://eige.europa.eu/publications/female-genital-mutilation-how-many-girls-are-risk-austria
Das Wiener Programm für Frauengesundheit hat für Pädagog*innen, Berater*innen, medizinisches Personal und Interessierte ein ELearning-Tool zum Thema FGM entwickelt:
https://www.wien.gv.at/gesundheit/beratung-vorsorge/frauen/frauengesundheit/schwerpunkte/gewalt/fgm.html
Fach-/Literatur über FGM:
Bachelorarbeit von Chiara Eckerl, BA: „A case study on non-governmental organizations in Vienna and female genital mutilation”, 2023
Kyoko Nakamura, Kaori Miyachi, et al.: Female Genital Mutilation/Cutting: Global Zero Tolerance Policy and Diverse Responses from African and Asian Local Communities (English Edition), 2023
Emmanuel Onalo: Breaking the Silence: A Journey to End Female Genital Mutilation (English Edition), 2023
Angela Ryan: SILENCED INNOCENCE: The Untold Story of Female Genital Mutilation (English Edition), 2023
Valentine Gekonge: Female Genital mutilation: the Scars We Carry: Working to end female genital mutilation in Kenya (English Edition), 2023
Caroline Lisa: Talking About Female Genital Mutilation: A Guide to Safeguarding for Professionals who Work with Children (English Edition), 2022
Masterarbeit von Katharina Zlattinger, MA MA: „Between Legitimisation and Contestation:
A case study on Female Genital Mutilation (FGM) among the Kuria community in Kenya”
=> Katharina Zlattinger forschte dazu unter anderem in Aktion Regen-Bildungsprojekten von Aktion Regen-Partner-NGOs sowie in zwei Safe Camps für akuten Schutz und Empowerment von Mädchen und Aufklärung der Kernfamilien von Aktion Regen, Zinduka, Tukutane, AMINA, 2022
Terre des Femmes hat eine umfassende Literaturliste über FGM zusammengestellt:
https://www.frauenrechte.de/images/downloads/fgm/buechertischaktion/2020/Buecherliste-FGM-2020.pdf
Bachelorarbeit von Ines Müller, BA: Weibliche Genitalbeschneidung und ihre Gegner und Gegnerinnen, 2020
Prazak, Miroslava. Making the mark: gender, identity, and genital cutting. Ohio University research in international studies, Africa series, no. 93. Athens, Ohio: Ohio University Press, 2016
Filme/Podcasts über FGM:
Wüstenblume, 2009, Spielfim von Sherry Hormann nach dem Buch von Anti-FGM-Aktivistin, UNESCO-Sonderbeauftragter und ehemaligem TOP-Model Waris Dirie, die vor ihrer eigenen Zwangsheirat in ihre Nomaden-Community als Mädchen aus Somalia nach England floh;
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Warriors, 2015, Doukumentation von Barney Douglas; Anti-FGM-Aktivist Sonynga Ole Ngais und seine Brüder, aus einer Masai-Community in Kenia, formieren ein Cricket-team als Vehikel zum Kampf gegen FGM und zum Schutz von Mädchen, wie ihre jüngste Schwester;
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In the Name of your Daughter, 2016, Dokumentarfilm von Giselle Portenier;
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In Search, 2019, Dokumentarfilm von Beryl Magoko;
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#Female Pleasure, 2019, Dokumentarfilm von Barbara Miller; unter fünf Aspekten patriarchal-religiöser Unterdrückung von Frauen (mit unserer Meinung nach teilweise konservativen Auflösungen) verläuft ein Handlungsstrang über FGM, in Person der somalischen Anti-FGM-Aktivistin Leyla Hussein – dieser Aspekt ist sehr informativ, berührend und empfehlenswert.
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„My fight for Zero FGM“, Interview mit RAIN WORKER-Trainerin Margaret Bachlechner / Aktion Regen aus Kenia, 2021;
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Ö1 Radiodoktor zum Thema FGM am 31.3.2022, als Expertinnen zu Gast: Umyma El Jelede, MBBS FGM-Expertin FEM SÜD; Aktion Regen-Generalskretärin Dr.in Ines Kohl, Dr.in Susanne Hölbfer, Gynäkologin der Klinik Ottakring
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„Together We End FGM – Strategien im Kampf gegen FGM “, Aufnahme eines Vortrages von Dr.in Ines Kohl, Generalsekretärin v Aktion Regen & Sozialanthropologin und Katharia Zlattinger, MA BA, Afrikanistin über weibliche Genitalverstümmelung und Praxisbeispiel von drei Safe Camps für akuten Schutz u Aufklärung von Mädchen unter Einbeziehung der Familien in SW-Kenia, sowie präventive Aufklärungsarbeit durch RAIN WORKER , 3. Mai 2021;
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„Justice for her“, Reportage von Mtoto News (Premiere 2.7.2022) über Hilfe für FGM-betroffene und bedrohte Mädchen in der Region Kehancha/ Migori – SW-Kenia durch Zusammenarbeit lokaler NGOs, wie ZINDUKA und der Polizei; Erfolge in der rechtlichen Ahndung von Mit-Täter*innen 2022
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„Kämpferin gegen Beschneidung„, von Anne Richard 2022; Doku über die französische Aktivistin Halimata, die senegalesische Wurzeln hat.
Hier ansehen, verfügbar in der ARTE-Mediathek vom 20/06/2022 bis 19/08/2023
Diverse Erklärvideos und Documentaries über Maßnahmen zur Beendigung von FGM unter den Kuria / Südwest Kenia von der NGO Zinduka e.V.; über die kooperativen, nachhaltigen Safe Camps, die seit Herbst 2021 gemeinsam mit den NGOs Aktion Regen, Tukutane e.V., AMINA realisiert werden; englische Untertitel:
The Impact of the Safe Space in Kuria, Kenya (6:40); April 2022
Monitoring and Evaluation of the Safe Space in Kuria, Kenya (14:14); April 2022
The Role of Men in #EndingFGM in Kuria Kenya, (5:59) April 2022
A Safe Space from Female Genital Mutilation in Kuria, Kenya, (11:25) April 2022
A Safe Space from Mutilation – Kuria, Kenya ‚Part 2‘, Dezember 2021
A Safe Space from Mutilation – Kuria, Kenya, Oktober 2021
Saras Geschichte – ein Film über FGM; Animationsfilm für Information, Aufklärung, Bewusstseinsbildung; vom erstes Mädchenhaus Kassel 1992 e.V. und Medienblitz, finanziert von Starcare
Animationsfilm FGM; Aufklärung und Information für Schulkinder (ab ca. 10 J.), von der Integrationsbeauftragten für Bayern
Lehrmaterialien über FGM:
ELearning-Tool des Wiener Programms für Frauengesundheit für Pädagog*innen, Berater*innen, medizinisches Personal und Interessierte;
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